BR - Tim Parks - Der ehrgeizige Mr. Duckworth




 Titel: Der ehrgeizige Mr. Duckworth
 Reihe: Mr. Duckworth #1
 Autor: Tim Parks
 Genre: Krimi
 Verlag: Kunstmann
 Seitenzahl: 319 Seiten
 Preis: 16,95€







Reichte es denn nicht, dass einem die Mutter wegstarb, der einzige Mensch, der sich je um einen gekümmert und für einen gesorgt hatte? Reichte es nicht, dass man das Kind armer Leute war und sich mit einem stinkenden, Schweinefleisch fressenden Proleten von Vater abfinden musste? Dass man sein ganzes Leben lang gegen den Strom schwimmen musste, dass man von der Universität relegiert worden war und Absagen auf mehr Stellenangebote erhalten hatte, als der Guardian in einem Monat abdruckte?
Nein, zu allem Überfluss musste man auch noch in einer Wohnung wohnen, wo jede Nacht so ein verdammter Köter direkt vor der Tür bellte und einen aufweckte, damit man glockenwach daliegen und alles noch einmal nacherleben konnte: die Frustration, das Versagen, das Gefühl, hereingelegt worden zu sein, ignoriert zu werden, die falschen Entscheidungen getroffen und keinerlei Zukunftsaussichten zu haben. Das Gefühl, alle Anstrengungen seien vollkommen sinnlos gewesen. [...] Und das hatte er nicht verdient. Das hatte er ganz bestimmt nicht verdient.

Ein langes Zitat zur Einleitung, aber nichts und niemand könnte besser ausdrücken, was Morris Duckworth ausmacht als Morris Duckworth selbst. Kurz vor dem Abschluss wegen eines albernen Zwischenfalls von der Elite-Uni relegiert, arbeitet Morris jetzt als Englischlehrer im italienischen Verona. Er hetzt von Privatstunde zu Privatstunde und lebt von der Hand in den Mund. Nicht gerade das, was er sich für sein Leben vorgestellt hat. Mit seiner Schülerin Massimina Trevisan glaubt er endlich das große Los - oder na ja, zumindest ein annehmbares - gezogen zu haben, denn sie stammt aus einer reichen Familie und ist so vernarrt in ihn, dass sie sich mit ihm verloben will. Wäre da nur nicht ihre erzkatholische Frau Mama, die ihn für schlechten Umgang hält. Als Massimina sich überstürzt dazu entschließt mit ihm durchzubrennen, kommt Morris eine simple, aber geniale Idee, wie er ganz schnell zu Geld kommen kann - und sich dabei in einer Grauzone bewegt, wie er meint. Er ist ja schließlich kein Verbrecher...

Morris Duckworth ist selbstgefällig, arroganz, herablassend, unerträglich, badet gerne im Selbstmitleid und überhaupt ist JEDER an seiner Misere Schuld, außer ihm selbst. Sein Vater, der mit seiner Arbeitermentalität kein Verständnis für Morris' Hochschulambitionen hatte, seine Mutter, die viel zu früh gestorben ist und ihn den Fängen des Vaters überlassen hat, seine Privatschüler, die allesamt sein Talent vergeuden, und eigentlich jeder, der sein großartiges Genie verkennt. Also wirklich im Grunde jeder. Ich habe im Vorfeld zu diesem Buch eine Rezension gelesen, in der ich genau darauf vorbereitet wurde. Und diese eine Rezension hat mich sofort überzeugt, mir das Buch aus der Bücherei zu besorgen. Denn Morris Duckworth ist einer dieser Protagonisten, die einen unsagbar gut unterhalten, von denen man aber genau weiß: oh Gott, ich würde den Typen erwürgen, wenn ich ihn im richtigen Leben um mich haben müsste. Genau wie Tony Stark. Den gucke ich mir auch unfassbar gerne auf der Leinwand an, aber vermutlich hätte ich Ironman längst im Schlaf erstickt, wenn ich mit ihm zusammen leben müsste.
Tim Parks lässt Morris auch die ganze Geschichte erzählen. Nicht aus der Ich-Perspektive zwar, aber immer sehr sehr nah an ihm dran, um nicht zu sagen mitten in seinen vermessenen, selbstmitleidigen, brillanten, wahnsinnigen Gedanken. Obwohl es wirklich verdammt schwierig ist Morris zu mögen, kann man das Buch doch einfach nicht weg legen. Man verfolgt, wie aus einer ganz harmlosen Gaunerei immer weitere Verstrickungen folgen, bei denen man sich zwischenzeitlich einfach nur die Augen zu halten und brüllen möchte: "MACH DAS NICHT! MACH'S EINFACH NICHT!". Aber ich bin nicht mal sicher, ob es einen Zweck hätte, selbst wenn Morris uns als verzweifelte Leser hören könnte. Der Mann ist unbelehrbar.
Tim Parks ist hier also wirklich ein kleines Meisterwerk gelungen, das ich regelrecht verschlungen habe, obwohl der Hauptcharakter so unsympathisch war, dass man ihn fast schon wieder gut finden musste. Das Ende, das mich überrascht und ein bisschen mit offenem Mund hat dasitzen lassen, hat mich jedenfalls schon ganz neugierig auf den zweiten Band gemacht, der sicher alsbald folgen wird.

Fünf verdiente Blümchen für Tim Parks Auftakt zur Mr. Duckworth Trilogie, die in diesem Jahr eine Neuauflage im Kunstmann Verlag erfahren hat. Eine unbedingte Leseempfehlung - aber Vorsicht, um Morris Duckworth zu ertragen braucht ihr manchmal echt starke Nerven.


Aussehen: ♥♥♥♥♥
 Spannung: ♥♥♥♥♥
 Schlüssigkeit: ♥♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥♥










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